Die Vergabekammer des Bundes (VK Bund) hatte sich in einem Nachprüfungsverfahren (Beschluss vom 18.09.2020, VK 2-51/20) mit der Frage zu beschäftigen, ob und ggf. inwieweit der Wettbewerb in einem Vergabeverfahren durch die Teilnahme des bisherigen Auftragnehmers verzerrt wird. In dem zugrundeliegenden Vergabeverfahren (Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb) wurden Leistungen im Zusammenhang mit Servicequalitätsbefragungen europaweit ausgeschrieben.
Nach der Beendigung des Verfahrens bat ein nicht berücksichtigter Bieter um nähere Auskunft, warum sein Angebot nicht den Zuschlag erhalten habe. Aus der erhaltenen Beschlussbegründung geht hervor, dass der bisherige Auftragnehmer erneut den Zuschlag erhalten sollte. Nach Erhalt der Begründung rügte der nicht berücksichtigte Bieter das Bewertungsvorgehen zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes. Dies jedoch erfolglos.
Der Bieter reichte einen Nachprüfungsantrag bei der VK Bund ein und beanstandete u. a. den Umstand als vergaberechtswidrig, dass eine Ungleichbehandlung vorliege, weil der bisherige Auftragnehmer und Bieter in diesem Verfahren einen Wissensvorsprung und damit einen Kalkulationsvorteil besitze: „Aufgrund der Befassung mit den Vorprojekten habe die Bg [Beigeladene] über Detailkenntnisse der tatsächlich nachgefragten Mengen an zu führenden Interviews und Anforderungen an die Datenauswertung verfügt, woraus ein kalkulatorischer Vorteil resultiere.“
Die ausschreibende Stelle beantragte daraufhin, den Antrag zurückzuweisen, da aus ihrer Sicht eine Bevorteilung der Beigeladenen nicht vorliege und daher keine Ungleichbehandlung stattgefunden habe.
Die VK Bund hat dies genauso gesehen und den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Aus der vorliegenden Bewertungsmatrix ergeben sich keine die Kammer überzeugende Hinweise, dass durch die Art des Bewertungsvorgehens der bisherige Auftragnehmer bevorteilt wird.
„Es kann auch ausgeschlossen werden, dass die Bg als bisherige Dienstleisterin tatsächlich eine bessere Bewertung aufgrund eines vergaberechtswidrigen Wettbewerbsvorteils erlangte, denn diese erzielte die führende Bewertung nur bei der Darstellung der Neukonzeption des Systems der Servicequalitätsbefragungen (Kriterium 1.1.3), bei der ein Wettbewerbsvorteil aufgrund des Betriebs des bisherigen Systems nicht naheliegt, weil Vorgaben, die sich zwingend am bisher von der Bg betriebenem System orientierten und für deren Erfüllung Insiderwissen hilfreich gewesen sein könnte, gerade nicht aufgestellt wurden. […] Eine gleichheitswidrige Bewertung oder eine Bevorzugung des bisherigen Dienstleisters ist nicht erkennbar. Die Bewertungen des Angebots der ASt [Antragstellerin] und der Bg werden sachlich begründet. Bei beiden Bewertungen wird nicht auf die vorhandene Erfahrung abgestellt. Am besten bewertet wurde in diesem Unterkriterium ein dritter Bieter. Auch in dessen Bewertung wird nicht auf die vorhandene Erfahrung, sondern auf die sachliche Würdigung der Möglichkeit und Sinnhaftigkeit des Einsatzes der Technik bei der Ag [Antragsgegnerin] abgestellt.“
Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot sowie das Wettbewerbsprinzip durch Gewährung oder Tolerierung vergaberechtswidriger, kalkulatorischer Vorteile der Bg seien nicht erkennbar:
„Zunächst scheidet ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 VgV aus. Diese Vorschrift erfasst nur vorbefasste Unternehmen, die an der Vorbereitung des verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt waren, nicht aber bisherige Auftragnehmer (Mager in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 3. Aufl., § 7 VgV, Rn. 8 m.w.N.). Wettbewerbsvorsprünge eines Bieters, der sich aufgrund eines Vorauftrags bereits auf die Besonderheiten des Auftraggebers eingestellt hat, bedürfen keines Ausgleichs durch den Auftraggeber. Es entspricht vielmehr der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Wettbewerb, sich zum Markteintritt zu qualifizieren (vgl. 2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 10. März 2017 – VK 2-19/17). Der Auftraggeber ist lediglich gehalten, allen Bietern die zur Angebotsabgabe erforderliche Kenntnis der Leistungsanforderungen durch eine einheitliche und sachgerechte Gestaltung der Vergabeunterlagen gem. § 121 und § 127 GWB zu gewähren.“ Und dass dies nicht eingehalten worden sei, trägt die Antragstellerin nicht vor und dies wurde auch von der VK Bund nicht festgestellt.
Fazit
Es bleibt bei der Pflicht der ausschreibenden Stelle, alles zu tun, um eine mögliche Wettbewerbsverzerrung im Vergabeverfahren zu minimieren oder bestenfalls auszuschließen. Insofern sind die Vergabeunterlagen so umfassend, neutral und ergebnisoffen zu formulieren, dass einerseits Wettbewerb ermöglicht wird und andererseits möglichst nicht der Eindruck entsteht, dass der bisherige Auftragnehmer in diesem Vergabeverfahren bevorteilt werden könnte.
Die Vergabekammer des Bundes hat ebenfalls in der Begründung noch einmal darauf hingewiesen, wie wichtig eine diesbezüglich umfassende Dokumentation im Verfahren ist – gerade auch beim Bewertungsvorgehen.