Vergabe News
ITK News
08.03.2021

AUFWANDSSCHÄTZUNG

Korrekte Ermittlung des Finanzierungsbedarfs

Die Vergabekammer (VK) Südbayern (Beschluss vom 15.05.2020, Z3-3-3194-1-37-10/19) weist auf mögliche Folgen einer unkorrekten Aufwandsschätzung hin. Sie hält einen Sicherheitsaufschlag auf die Auftragswertschätzung für zwingend notwendig.

In einem Vergabeverfahren nach VOB hatte eine Vergabestelle den Auftragswert wohl fehlerhaft ermittelt und auf Basis dieser (zu niedrigen) Schätzung das Verfahren aufgehoben. Laut dieser Vergabestelle lägen die von den Bietern erhaltenen Angebotspreise weit über den von ihr veranschlagten Kosten und seien somit nicht finanzierbar. Deshalb sollte die Leistung in einem neuen Verfahren nochmals ausgeschrieben werden. Ein Bieter rügte jedoch die Aufhebung und verlangte den Zuschlag auf sein Angebot, da es den Marktpreisen entspreche. Da der Rüge nicht abgeholfen wurde, stellte der Bieter einen Nachprüfungsantrag, um die Entscheidung der Vergabestelle auf Aufhebung des Vergabeverfahrens zu revidieren bzw. hilfsweise die Verletzung der Bieterrechte festzustellen.

Laut Vergabekammer ist der Nachprüfungsantrag, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung, begründet. Hierzu führt sie dementsprechend aus, dass die von einer Vergabestelle in Ansatz gebrachten Aufhebungsgründe durch die Vergabekammern uneingeschränkt überprüfbar sind. Letztlich müssen Gründe für eine sanktionslose Aufhebung vorliegen, die nicht der Vergabestelle zurechenbar sein dürfen.

„Das aus Sicht der Antragsgegnerin unwirtschaftliche Ergebnis der Ausschreibung und die Überschreitung des geplanten Budgets stellt vorliegend auch keinen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung i.S.d. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A dar, da die Kostenermittlung der [ausschreibenden Stelle] nicht vertretbar war.“

Auch eine Aufhebung aus anderen schwerwiegenden Gründen, wie unwirtschaftliche Angebote, kommt für die VK nicht in Frage. Hierbei ist bedeutsam, „[…] worin die Ursache für das Auseinanderklaffen des Preises des wirtschaftlichsten Angebots und der möglichen Finanzierung zu suchen ist. Ein schwerwiegender Grund i. S. des § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 und 2 VOB/A ist nämlich nicht gegeben, wenn der Auftraggeber den Finanzbedarf zu gering bemessen hat (OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2011, Az. 13 Verg 15/10). Ob eine Kostenschätzung korrekt erfolgte, ist am Einzelfall zu prüfen.“ Es ist nach der Rechtsprechung des BGH „…eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2001, Az. X ZR 150/99). Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist (BGH, Urteil vom 08.09.1998, X ZR 48/97) und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10).“

Die Kammer erklärt sich im Weiteren zu einzelnen Positionen der Auftragswertschätzung: „Im Übrigen wäre die Antragsgegnerin zur ordnungsgemäßen Ermittlung ihres Finanzierungsbedarfs zudem gehalten gewesen, einen Sicherheitsaufschlag auf das Ergebnis der sorgfältig geschätzten Kosten vorzunehmen (OLG Düsseldorf Beschluss vom 29.08.2018, VII Verg 14 / 17). Dies war gerade im Zeitraum der Ausschreibung des streitgegenständlichen Auftrags erforderlich, in dem es – allgemein bekannt – zu einer dynamischen Aufwärtsentwicklung der Baupreise kam und das Marktgeschehen durch wenige und hochpreisige Angebote geprägt war. Dem hätte die Antragsgegnerin durch einen angemessenen Sicherheitszuschlag auf die ordnungsgemäß - unter Berücksichtigung der Marktsituation durch Indexierung - prognostizierten Preise Rechnung tragen müssen. Insgesamt ist die von der Antragsgegnerin vorgenommene Kostenermittlung damit nicht mehr vertretbar.“

Fazit

Die ausschreibende Stelle muss neben einer rechnerisch einwandfreien Kostenschätzung auch aktuelle Marktentwicklungen bezüglich der zu beschaffenden Leistungen berücksichtigen. Darüber hinaus hat sie einen Sicherheitsaufschlag auf das Ergebnis der sorgfältig geschätzten Kosten vorzunehmen. Und wie schon in vielen Artikeln zuvor immer wieder hervorgehoben, muss dies auch alles sorgfältig dokumentiert werden.

Robby Semmling
Lead Consultant

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13.05.2019

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