Das Bundeskartellamt (Beschluss vom 14.06.2014 – VK 2-39/14) befasste sich mit der Frage, ob sogenannte No-Spy-Erklärungen zur Eignung oder zur Leistungserbringung gehören.
In einem Vergabeverfahren zur Beschaffung von Dienstleistungen war u. a. die Frage zu klären, ob und inwieweit deutsche Tochterunternehmen von US-amerikanischen Muttergesellschaften eine No-Spy-Erklärung rechtskonform abgeben können und ob eine solche Erklärung zur Eignungsprüfung gehört.
In dem konkreten Vergabeverfahren hatte die ausschreibende Stelle eine solche Erklärung nicht als Nachweis der vorhandenen Eignung verlangt, sondern diese Erklärung im Verfahren dem abzuschließenden Vertrag als Anlage zugeordnet.
Ein Bieter rügte die beabsichtigte Vergabeentscheidung und vertrat die Auffassung, dass die ausschreibende Stelle noch einmal in die Eignungsprüfung einzutreten habe, da der obsiegende Bieter als Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Konzerns verpflichtet sei, (personenbezogene) Daten an den Mutterkonzern zu liefern und daher die No-Spy-Erklärung nicht erfüllen könne. Da der diesbezüglichen Rüge nicht abgeholfen wurde, beantragte der Bieter das gerichtliche Nachprüfungsverfahren.
Die Vergabekammer des Bundeskartellamtes lehnte den Antrag jedoch als unbegründet ab. Eine No-Spy-Erklärung soll der Zuverlässigkeitsprüfung der Bieter dienen. Das Abverlangen einer solchen Erklärung als Eignungsanforderung hatte die ausschreibende Stelle aber nicht bekannt gemacht. Somit sei ein nachträgliches Abfordern einer nicht bekannt gemachten Erklärung bereits aus formalen Gründen unzulässig, da alle Eignungsanforderungen in der Bekanntmachung anzugeben sind.
Im Rahmen der Eignungsprüfung sind ausschließlich bieterbezogene Aspekte zu prüfen, um deren Eignung feststellen zu können:
„Eignungsanforderungen sind bieterbezogen, es geht um die Person des Bieters. Ausschließlich Sachverhalte, die dem Bieter in irgendeiner Form zurechenbar sind, dürfen hier berücksichtigt werden. Dies geht schon ganz klar aus den Europäischen Vergaberichtlinien hervor und gilt sowohl für die technische wie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, in besonderem Maße aber für die Zuverlässigkeit, die dort bislang mit ‚persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters‘ überschrieben war, so Art. 45 RL 2004/18/EG. Zurechenbar können dem Bieter aber nur Umstände sein, auf die er überhaupt Einfluss nehmen kann. Ergeben sich dagegen aus der Rechtsordnung eines Landes, der er unterworfen ist, bestimmte Verpflichtungen, denen er sich nicht entziehen kann, so ist es unzulässig, diese dem Bieter als ein die Zuverlässigkeit ausschließendes oder in Frage stellendes Fehlverhalten zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn er infolge dessen zwangsläufig gegen die Vorgaben einer anderen Rechtsordnung – hier der Datenschutz – verstoßen muss. […] Ein Ausschluss kommt danach (soweit tatbestandlich im vorliegenden Zusammenhang einschlägig), so Art. 45 Abs. 2 lit. d) RL 2004/18/EG bzw. neuerdings Art. 57 Abs. 4 lit. c) RL 2014/24/EU, nur in Betracht bei einer im Rahmen der beruflichen Tätigkeit begangenen schweren Verfehlung, die vom Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde. Allein das oben dargestellte mittelbare Unterworfensein unter eine Rechtsordnung mit zwangsläufigen und unvermeidbaren Rechtsfolgen für das Unternehmen kann schwerlich als ‚schwere Verfehlung‘ eines Unternehmens gewertet und diesem als persönliches Fehlverhalten angelastet werden.“
An dieser Stelle weist das Bundeskartellamt auch noch einmal darauf hin, dass der von den EU-Richtlinien vorgegebene Katalog der zulässigen Eignungsanforderungen abschließend ist und nicht von einer ausschreibenden Stelle beliebig erweitert werden kann. „Eine von diesem Katalog nicht gedeckte Zuverlässigkeitsanforderung ist vergaberechtswidrig (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2014 –VII-Verg 28/13).“
Aus Sicht des Bundeskartellamtes wurde der Aspekt der Datenweitergabe korrekterweise bei den besonderen Anforderungen an die Auftragsausführung eingebunden. Dies gelte im Übrigen auch für die ILO-Kernarbeitsnormen (Vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2014 – VII-Verg 28/13; dortige Kernaussage: „Die Forderung der Abgabe von Verpflichtungserklärungen gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 TVgG NRW zu den ILO-Kernarbeitsnormen in den Anlagen 12 und 12a der Bewerbungsbedingungen war als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit des Bieters vergaberechtswidrig.“)
Fazit
Die ausschreibende Stelle muss strikt zwischen Eignungsanforderungen und den besonderen Anforderungen an die Auftragsausführung unterscheiden. Eignungsanforderungen müssen dem Bieter zurechenbar sein. Umstände als Eignungsanforderungen zu definieren, auf deren Einhaltung der Bieter keinerlei Einfluss hat (hier: Konflikt zwischen Erklärung und gesetzlicher Pflicht zur Datenweitergabe), sind als Eignungsanforderungen untauglich und damit unzulässig.
Wie das Bundeskartellamt darstellt, handelt es sich bei der No-Spy-Erklärung und den Regeln zur ILO-Kernarbeitsnorm nicht um Eignungsanforderungen, sondern um rechtliche Rahmenbedingungen zur Leistungserbringung. Dementsprechend gehören solche Anforderungen zu den Rahmenbedingungen der Leistungserbringung und nicht zur Eignung.