Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestimmt in einem Urteil vom 20.05.2021 (Rs. C-6/20), wann Registrierungen oder Zulassungen spätestens vorliegen müssen.
In einem dem EuGH vorgelegten Vergabeverfahren aus Estland war ein Gerichtsstreit um die Frage entbrannt, zu welchem letztmöglichen Zeitpunkt bestimmte Eignungsanforderungen vom Bieter nachzuweisen sind. Zusammengefasst ging es um Folgendes.
Das Sozialministerium Estland führte im Jahr 2017 ein offenes Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge für den Ankauf von Nahrungsmittelhilfen für am stärksten benachteiligte Personen mit einem geschätzten Wert von jeweils 4 Mio. Euro (zum Teil kofinanziert über Fördermittel) durch. In dem Verfahren verlangte die ausschreibende Stelle, dass die Bieter mit dem Angebot von vornherein eine Bestätigung des Vorliegens einer Zulassung der Veterinär- und Lebensmittelbehörde Estland vorzulegen haben. Schlussendlich wurde eine Rahmenvereinbarung mit drei Bietern abgeschlossen.
Im Rahmen der Nachprüfung des Verfahrens durch die fördermittelgebende Stelle wurde erklärt, dass die Forderung nach Vorlage einer Zulassung der Veterinär- und Lebensmittelbehörde Estland mit der Angebotsabgabe in Bezug auf die in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Estland niedergelassenen Bieter einen ungerechtfertigt beschränkenden Charakter habe. Hiergegen legte die ausschreibende Stelle Widerspruch ein.
Mit der Entscheidung vom 22. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht Tallinn die Klage des Sozialministeriums ab. Als Begründung wurde angegeben, dass ein Erfordernis, die Bieter müssten über eine Zulassung durch eine estnische Behörde verfügen oder in Estland Melde- und Erlaubnispflichten erfüllen, unverhältnismäßig sei und in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Bieter diskriminiere. Hiergegen legte das Sozialministerium erneut Berufung ein.
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass die Richtlinie 2004/18 der EU hierzu nicht eindeutig sei und dass das Vorgehen des Sozialministeriums als vergaberechtskonform einzustufen sei. Allerdings legte das Bezirksgericht die Sache dem EuGH zur abschließenden Entscheidung vor.
Der EuGH führte hierzu aus, dass nach Art. 46 der Richtlinie 2004/18 die Vorlage von Zulassungen oder Erlaubnissen für die Prüfung der qualitativen Eignung der Bieter zulässig ist. Allerdings ist es ausreichend, wenn der Bieter sich auf Unterlagen wie eine Bescheinigung oder eine Eintragung in das Berufs- oder Handelsregister beruft, die von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates stammen, in dem er niedergelassen ist. Weitergehend heißt es: „Im Übrigen ist festzustellen, dass ein Verstoß gegen Art. 46 der Richtlinie 2004/18 notwendigerweise einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung der Bieter, wie sie in Art. 2 dieser Richtlinie gewährleistet sind, impliziert, da sich das Erfordernis, dass die Bieter über eine Zulassung einer estnischen Behörde verfügen oder in Estland Melde- und Erlaubnispflichten erfüllen müssen, gegenüber den in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Bietern diskriminierend ist und nicht gerechtfertigt erscheint.“
Entscheidung des EuGHs
Art. 46 verwehrt es einem öffentlichen Auftraggeber, „[…] als qualitatives Auswahlkriterium die Registrierung und/oder Zulassung in dem Mitgliedstaat, in dem die öffentlichen Aufträge ausgeführt werden, vorzuschreiben, wenn der Bieter in dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, bereits über eine entsprechende Zulassung verfügt. […] Daraus folgt, dass der Umstand, dass ein Wirtschaftsteilnehmer über eine Registrierung oder Zulassung durch den Mitgliedstaat seiner Niederlassung verfügt, im Rahmen eines Vergabeverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat die Vermutung seiner Eignung zur Lieferung und zum Vertrieb von Lebensmitteln in diesem anderen Mitgliedstaat und damit zur Ausführung des betreffenden Auftrags begründet. Nach alledem ist […] zu antworten, dass die Art. 2 und 46 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der öffentliche Auftraggeber in einer Bekanntmachung als qualitatives Auswahlkriterium verlangen muss, dass die Bieter bereits bei Abgabe ihres Angebots den Nachweis erbringen, dass sie über eine Registrierung oder eine Zulassung verfügen, die nach den Vorschriften erforderlich ist, die für die Tätigkeit, die Gegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags ist, gelten, und die von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats der Ausführung des Auftrags erteilt wurde, auch wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie niedergelassen sind, bereits über eine entsprechende Registrierung oder Zulassung verfügen.“
Hieraus folgt, dass ein solcher Nachweis einer Registrierung bzw. Zulassung vor dem geplanten Zuschlag eingefordert werden kann und vorgelegt werden muss.
Fazit
Ausschreibende Stellen müssen grundsätzlich Zertifikate, Erlaubnisse, Registrierungen oder dergleichen aus den Herkunftsländern der Bieter anerkennen, wenn es sich hierbei um einen Mitgliedstaat der EU handelt. Möglicherweise kann zusätzlich ein Nachweis der Gleichwertigkeit verlangt werden.
Es ist nach der Entscheidung des EuGHs unzulässig, ggf. notwendige Zulassungen oder Registrierungen bereits mit dem Angebot abzuverlangen. Diese müssen spätestens zum Zeitpunkt des Zuschlages vom Bieter vorgelegt werden, der den Zuschlag auf sein Angebot erhalten soll.
Analog der Möglichkeit einer verpflichtenden Erklärung des Bieters, dass eine noch nicht vorhandene Betriebshaftpflichtversicherung in der geforderten Höhe im Falle des Zuschlags abgeschlossen wird, könnten insofern mit einer gleichlautenden Erklärung auch noch nicht vorgelegte Registrierungen oder Zulassungen gefordert werden.