Vergabe News
ITK News
23.06.2022

WARTEFRIST § 134 GWB

Keine Fristberechnung nach BGB

Regulär sind in Vergabeverfahren die Bestimmungen zur Berechnung von Fristen nach BGB zu beachten. Fällt danach der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist regelmäßig mit Ablauf des darauffolgenden Werktages.

Doch gilt diese Berechnung auch für eine Frist nach § 134 GWB, wenn der letzte Tag auf einen Sonntag fällt? Hierzu hat sich die Vergabekammer des Bundes mit Beschluss vom 28. Juni 2021 (VK 2-77/21) klar positioniert, wie im Folgenden ausgeführt.

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde lag, endete die Informationsfrist nach § 134 GWB mit Ablauf eines Sonntags (20. Juni 2021). Für den 21. Juni 2021 war der Zuschlag vorgesehen. Die nicht berücksichtigten Bieter wurden elektronisch informiert, so dass hier die verkürzte Frist von 10 Kalendertagen zum Tragen kam. Der Antragsteller rügte die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung. Da der Rüge nicht abgeholfen wurde, wurde ein Nachprüfungsantrag gestellt. Unter anderem wurde er damit begründet, dass der Zuschlag nicht vor Ablauf des 21. Juni erfolgen dürfe, weil die 10-Tages-Frist nicht am 21. Juni, sondern erst am 22. Juni 2021 ablaufe.

Entscheidung: Nachprüfungsantrag nicht statthaft

„Der Nachprüfungsantrag ist nicht statthaft, weil die Ag [Antragsgegnerin] den Zuschlag auf das Los [...] wirksam an die Bg [Beigeladene] erteilt hat und der wirksam erteilte Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB (vgl. a. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 - X ZB 14/00). Der von der ASt [Antragstellerin] bemängelte Verstoß gegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB liegt nicht vor, weil die Ag den Zuschlag wirksam am 21. Juni 2021, 7:52 Uhr, nach Ablauf der von ihr im Schreiben vom 10. Juni 2021 ordnungsgemäß gesetzten Frist von 10 Kalendertagen erteilen durfte. Die Ag hat durch ihre an die ASt elektronisch übermittelte Vorabinformation nach § 134 GWB vom 10. Juni 2021 die nach § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB zu beachtende Frist von 10 Kalendertagen, nach deren Ablauf der Zuschlag hier erteilt werden durfte, den Fristenlauf ab dem 11. Juni 2021 in Gang gesetzt. Diese rein nach Kalendertagen zu bemessende Frist lief damit am Sonntag, den 20. Juni 2021 ab. Der Zuschlag durfte daher ab Montag, den 21. Juni 2021 erteilt werden, was an diesem Tag um 7:52 Uhr an die Bg wirksam erfolgt ist. Der erst um 12:34 Uhr an diesem Tag bei der Vergabekammer per Telefax vollständig eingegangene und ab 14:51 Uhr der Ag per Telefax übermittelte Nachprüfungsantrag konnte daher das Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB nicht mehr auslösen. Das Ende dieser Frist von 10 Kalendertagen verschiebt sich, anders als die ASt meint, nicht nach § 193 BGB auf den Ablauf des auf den Sonntag, 20. Juni 2021, folgenden Werktags, Montag, den 21. Juni 2021. § 193 BGB findet keine Anwendung, da es sich bei der Frist nach § 134 Abs. 2 GWB um eine reine nach Kalendertagen bemessene Wartefrist (‚Stillhaltefrist‘ gem. Art. 2a Richtlinie 2007/66/EG) für den öffentlichen Auftraggeber handelt, nicht aber um eine Frist, binnen der eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist. Das folgt aus dem unmissverständlichen Wortlaut des § 134 Abs. 2 Satz 1, 2 GWB, wonach ein Vertrag erst 10 Kalendertage ‚nach Absendung der Information nach Absatz 1 geschlossen werden‘ darf bzw. aus Art. 2a Abs. 2 Richtlinie 2007/66/EG, dessen Umsetzung § 134 Abs. 2 GWB dient. Dort wird ausdrücklich bestimmt, dass ‚der Vertragsabschluss im Anschluss an die Zuschlagsentscheidung [...] nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens zehn Kalendertagen erfolgen‘ darf. Soweit die ASt meint, das Ende der Frist nach § 134 Abs. 2 GWB verschiebe sich hier auch aufgrund des Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (VO) (EWG) Nr. 1182/71 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, trifft das nicht zu. […] Denn aus der Regelung des Art. 3 Abs. 4 Satz 2 VO 1182/71 folgt ausdrücklich, dass eine Verschiebung eines auf einen Sonntag fallenden Fristendes auf den nächstfolgenden Arbeitstag nicht für Fristen gilt, die von einem bestimmten Datum oder einem bestimmten Ereignis an rückwirkend berechnet werden. So liegt der Fall hier. Denn es kommt für die entscheidende Voraussetzung des Zeitpunktes, an dem das Zuschlagsverbot wegfällt und ab dem der Zuschlag erteilt werden kann, gerade darauf an, dass die vorausliegende Frist gemäß § 134 Abs. 2 GWB abgelaufen ist. Damit handelt es sich hier ausweislich der maßgebenden Vorschrift des Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 2007/66/EG, deren Umsetzung § 134 Abs. 2 GWB dient, um eine rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Zuschlagsverbots zu berechnende Frist.“

Fazit

Somit kann eine Frist nach § 134 GWB an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag mit Ablauf des jeweiligen Tages enden. Die ausschreibende Stelle sollte, um die beschriebene Situation möglichst zu vermeiden und das Verfahren zügig durch Zuschlag zu beenden, rechtzeitig am Folgetag (am besten gleich morgens) den Zuschlag wirksam erteilen (sofern noch keine Information der Vergabekammer über einen eingereichten Antrag auf Nachprüfung bei der ausschreibenden Stelle zu diesem Zeitpunkt vorliegt). Damit ist das Vergabeverfahren abgeschlossen. Ein jetzt vorliegender Nachprüfungsantrag wäre unzulässig, da es kein laufendes Vergabeverfahren mehr gibt.

Robby Semmling
Lead Consultant

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